Das Forum Musikwirtschaft kritisiert die Übertragung der europäischen DSM-Richtlinie in nationales Recht. Trotz massiver Kritik und Aktionen seitens der Branche gab es keine substanziellen Änderungen zum im Februar beschlossenen Gesetzesentwurf.
Das Forum Musikwirtschaft zeigt sich enttäuscht über die nach langem Reden heute im Bundestag verabschiedete Novelle des Urheberrechtsgesetzes. Bis zuletzt hatten die Branchenverbände, Künstler:innen, Rechteinhaber:innen und ihre wirtschaftlichen Partner eine substanzielle Änderung des Gesetzesentwurfs von Anfang Februar gefordert. Nur an sehr wenigen Stellen ist man der Branche entgegengekommen. So wurde das Tonträgerherstellerrecht aus der Direktvergütung entfernt, das Urheberpersönlichkeitsrecht hervorgehoben und der Melodienschutz klargestellt. Weiter unklar ist hingegen die Definition des sogenannten Pastiche, ebenso erhalten geblieben sind die umstrittenen Bagatellgrenzen.
Es ist erschreckend, wie wenig das Wort der Künstler:innen hierzulande gilt. Selbst der Aufschrei von inzwischen 1.322 Künstler:innen quer durch alle Genres und Bekanntheitsgrade, die sich für eine Korrektur des deutschen Urheberrechtsentwurfs stark gemacht hatten, wurde seitens der Politik kaum gehört. Die Nutzung von 15 Sekunden Musik oder 160 Zeichen Text bleibt genehmigungsfrei zulässig.
Kurz vor Ablauf der Frist am 7. Juni wurde nun ein deutscher Sonderweg beschlossen, der in der DSM-Richtlinie nicht vorgesehen ist. Diese Auslegung des SPD-geführten Ministeriums kommt einer teilweisen faktischen Enteignung der Rechteinhaber:innen und ihrer Partner:innen gleich und gefährdet erheblich den Kulturbetrieb in Deutschland. Inmitten des zweiten Corona-Jahres werden Urheber:innen, Künstler:innen und ihren Partner:innen ihre digitalen Lizenzierungswege durch die tatsächlichen Rechtsfolgen verbaut, während pandemiebedingt Einnahmen aus dem Live-Geschäft weitgehend ausbleiben.
Mark Chung, Vorstandsvorsitzender des Verbandes unabhängiger Musikunternehmer*innen (VUT): „Die Gegner der bahnbrechenden europäischen DSM-Richtlinie haben nach ihrer Abstimmungsniederlage im europäischen Prozess ihren Einfluss, vor allem in der SPD, genutzt, um die harmonische europäische Lösung mit der deutschen Umsetzung soweit wie möglich zu untergraben. Der jedes Genre und jeden Bekanntheitsgrad umfassende Protest von mehr 1.300 Künstler*innen hat in letzter Minute zumindest einige Zugeständnisse bewirkt. Das heute mit der Regierungsmehrheit durchs Parlament gebrachte Gesetz bleibt im Ergebnis insgesamt künstlerfeindlich, anti-europäisch und erschreckend praxisfern. Lizenzverhandlungen werden erschwert, viele Aspekte werden jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen provozieren. Eine vertane Chance.“
Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI): „Trotz einiger Änderungen am Text hat sich das Gesetz im Großen und Ganzen seit einem Jahr nicht substantiell verändert, der deutlichen Kritik diverser Branchen zum Trotz. Es bleibt dabei, dass durch das Gesetz an vielen Stellen unsere digitale Branchenrealität ignoriert und torpediert wird und damit vertragliche Beziehungen destabilisiert werden. Juristisch handwerklich wird sich einiges wohl erst vor den Gerichten klären lassen, was bedauerlich ist. Dies umso mehr als für uns die Befriedung der Urheberrechtsdebatte im Sinne des europäischen Kompromisses im Vordergrund stand."
Dr. Götz von Einem, Vorstandsmitglied des Deutschen Musikverleger-Verbands (DMV): „Die Bundesregierung hat die Chance vertan, den auf EU-Ebene gefundenen Kompromiss in ein ausgewogenes Gesetz zu übertragen. Statt Urheber:innen, Künstler:innen und ihre wirtschaftlichen Partner zu stärken und die Macht der Plattformen zu begrenzen, wurde aus Angst vor der Netzgemeinde eine komplizierte Struktur entworfen, die in der Praxis alle Beteiligten vor große Herausforderungen stellen wird – und den Eindruck hinterlässt, dass die Politik kreativ Schaffenden nicht die Würdigung entgegenbringt, die sie verdienen.“
Patrick Oginski, stellvertretender Vorsitzender des Interessenverbandes Musikmanager & Consultants (IMUC): „Leider haben es die Künstler und deren engste Partner nicht geschafft ausreichend auf die verheerenden Folgen der nun kommenden Regelungen einzuwirken. Die Auswirkungen werden bei Ausschüttungen und Streitigkeiten zur Nutzung in den kommenden Jahren deutlich werden. Ich kann nur hoffen, dass dann eine erneute Beratung und Anpassung stattfinden wird. Musik ist niemals Bagatelle! “
Über das Forum Musikwirtschaft
Das Forum Musikwirtschaft besteht aus den sechs maßgeblichen Verbänden des Wirtschaftsbereichs. Im Einzelnen sind dies der BDKV (Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft), der BVMI (Bundesverband der Musikindustrie), der DMV (Deutscher Musikverleger-Verband), die LIVEKOMM (Verband der Musikspielstätten in Deutschland), SOMM (Society Of Music Merchants) und der VUT (Verband unabhängiger Musikunter-nehmer*innen). Es umfasst damit die wesentlichen Sektoren der Musikwirtschaft, die durch ihre komplexen Wertschöpfungsstrukturen eng miteinander verzahnt sind. Das Forum versteht sich als Diskursraum, in dem zentrale Themen der Musikwirtschaft identifiziert und erörtert werden, um sie an die Politik und die Öffentlichkeit zu adressieren. Die Kooperation ist getragen von dem Verständnis, sich auch mit anderen Marktteilnehmern auszutauschen und damit situationsabhängig die Sicht aller Branchenakteure in ihrer Gesamtheit zu reflektieren. Das Forum hat keine feste Verbandsstruktur und strebt auch nicht die Position eines Dachverbands der Branche an. Vielmehr werden gemeinsame Themen gemeinschaftlich nach außen getragen, wobei jeder Verband dabei vorrangig die Interessen seiner Mitglieder vertritt und für diese spricht.
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